2010/12/18

[Interviews] Kevin Devine

Im Vorfeld seines Konzerts in Gießen am 16. Dezember erklärte sich Kevin Devine kurzfristig zu einem Interview bereit. Die mehr oder weniger spontan zusammengeklaubten Fragen und das enthüllende Resultat könnt ihr nun hier genießen!!

Wie war deine Tour bisher? Du bist ja in Großbritannien im Zuge der BSM Tour (Big Scary Monsters; Kevins britisches Label, Anm d Red) sowie in Deutschland unterwegs gewesen, hast du alle Shows solo bestritten?
Ja! Und die Tour war großartig. Ich hab mir einen kleinen Infekt eingefangen, was nicht so toll ist, aber die Shows waren alle fantastisch, gut besucht, nett, ruhig, nicht sehr aufreibend. Dieses BSM Ding war super. Das war jetzt das erste Mal dass ich da so richtig eine Platte veröffentlicht habe. Und bisher war es immer so, dass es in London ganz okay lief und zu den anderen Shows so 50 Leute kamen, jetzt ist es so dass zu den Shows so 75 bis 200 Leute kommen und es dann wirklich gut in Londonläuft , mit mehr als 200 Leuten. Das war jetzt das erste Mal dass ich das so dort hatte, also war das wirklich cool. Und die Shows hier waren dann alle in wirklich kleinen Clubs. Es ist das erste Mal hier drüben dass ich meine neue Platte vor Leuten spiele. Köln, Leipzig und Hamburg waren alle ausverkauft, das war echt großartig! Eine wirklich gute Tour bisher. Und direkt davor war ich in den Staaten einen Monat als Support für die Get Up Kids unterwegs, und das mit einer kompletten Band, also waren es so etwas wie drei verschiedene Touren in zwei Monaten. Und heute Abend ist dann die letzte Show und dann fahre ich nach Hause und ruhe mich eine Zeitlang aus.

Ich würde gerne ein wenig über deine musikalische Vergangenheit sprechen. Du hast bei Miracle of ’86 gespielt, und bist vor kurzem mit den Get Up Kids und Brand New auf Tour gegangen. In deinem Myspace-Blog schreibst du, dass du den Begriff „Emo“ nicht wirklich magst oder verstehst, trotzdem wirst du oft als Emo klassifiziert.
Ich kann das verstehen. Ich mochte Bands wie Sunny Day Real Estate, The Promise Ring, ich mochte das Texas is the Reason Album und die ersten zwei Get Up Kids Alben, ich mochte ein Album von Mineral, aber das war es dann auch in etwa von allen Sachen die in den letzten 20 Jahren als Emo bezeichnet wurden. Ich meine, ich mag Fugazi und Rites of Spring, aber diese Musik hat nichts mit dem zu tun was Fall Out Boy oder Panic At The Disco oder wer auch immer machen. Oder Taking Back Sunday. Also weil ich Sunny Day, Mineral und Promise Ring mag und Pete Wentz auch und wer auch immer die Songs für Taking Back Sunday schreibt - vielleicht gibt es einen Nenner den wir alle gemeinsam haben, aber ich finde dass alles andere bei uns doch sehr unterschiedlich ist. Also würde ich verstehen warum jemand das in meiner Musik hört? Ja, weil es schon einen gewissen Anteil hat und ich würde niemals behaupten dass es nicht so wäre. Und ich denke wenn man sehr persönliche Sachen singt, dann ist es vielleicht die Art wie meine Stimme klingt, oder manchmal werden Dinge als traurig wahrgenommen, vielleicht hat es etwas damit zu tun. Oder damit, dass man schreit.  Aber in Bezug auf die Musik die ich wirklich höre und die Leute Emo nennen würden, stellt sie vielleicht nur etwa 5% und das war immer so. Sogar als ich diese Bands hörte habe ich trotzdem immer noch häufiger Bands wie Superchunk und Pavement und R.E.M., Nirvana, Sonic Youth, Elliott Smith und Belle And Sebastian gehört. Keine von denen ist „Emo“. Ich kann zwar nicht verstehen warum ich  in diese Ecke gesteckt werde aber ich werde auch nicht versuchen, das den Leuten auszureden. Das wäre zu viel Arbeit. Und es ist so schön wenn jemand sich etwas aus deiner Musik macht und dir zuhören möchte und ich werde Ihnen nicht sagen dass sie das nicht können weil sie Bands mögen die ich mir nicht anhöre.

Heutzutage gibt es ja haufenweise Sänger die mal in Punkbands gespielt haben und nun Folk und/oer Singer-Songwriter-Musik machen.  Gibt es jeweils Vor- und Nachteile?
Ich mache das jetzt seit neun Jahren. In den letzten zwei Jahren ist mir aufgefallen, dass etwa 15 Leute die ich kenne und die mal in Punk- oder Emo-Bands waren, jetzt Singer-Songwriter sind. Ich mache Musik als Kevin Devine schon so lange, auch schon als ich Musik mit Miracle of 86 gemacht habe, also ist das nichts Neues für mich und ich kann nicht sagen woher dieser Trend jetzt kommt. Aber im Bezug auf Vor- und Nachteile… Wenn ich mit einer Band unterwegs bin, mag ich die Option dass man Dinge ausdehnen, etwas mehr mit dem Sound spielen kann, und es kann wirklich laut, wirklich spacig, dröhnend, schneidend-es kann so viele verschiedene Dinge sein, wenn du mit einer Band spielst. Wenn du ganz allein bist, bist du verantwortlich für die gesamte Dynamik. Aber ich liebe das Einfache, Reine daran und die Intimität und ich liebe es, dass ich nie eine Setlist habe wenn ich akustisch spiele. Ich orientiere mich einfach daran wie ich mich fühle und wie ich den Raum empfinde und so ist es etwas spontaner. Die goldene Mitte ist, mit einer Band zu touren und beides tun zu können, Teile des Sets akustisch zu spielen und den Leuten die unterschiedlichen Facetten von dem, was du tust, zu zeigen.

Dein neues Album hast du ja dieses Mal komplett mit einer Band geschrieben und aufgenommen, wie ist es denn jetzt, DIESE Sachen allein zu spielen? Macht es einen Sehr großen Unterschied?
Ja, die Songs werden alle sehr anders präsentiert. Ich habe alle Lieder allein geschrieben, ich meine, sie wurden immer so geschrieben. Und bei allen Platten ist eine Band dabei. Es ist wirklich komisch mit dieser Platte, sogar in den Staaten kommt die Presse ständig auf die Band zu sprechen und ich denke dass der einzige Unterschied dieses Mal ist dass die Band die Parts die sie spielt selbst geschrieben hat anstatt die Teile zu spielen, die ich geschrieben habe. Ich schätze, das ist schon sehr anders aber es ist schön, einen Schritt zurück machen zu können und sie zu spielen wie sie ursprünglich waren und mich zu bemühen dass sie immer noch fesseln können, auch ohne die anderen Instrumente und so.

Du hast auf deiner Myspace-Seite geschrieben, dass es etwa 8 Monate gedauert hat, bis du die Songs geschrieben hast und die Aufnahmen einen Monat dauerten?
Ich habe ja nicht acht Monate lang jeden Tag geschrieben. Es brauchte acht Monate bis ich die Platte zusammen hatte, aber es war nicht so, dass ich zum Beispiel 4 Monate lang ständig geschrieben habe. Und dann brauchten wir einen Monat für die Demos und schließlich 11 Tage für die Aufnahmen. Also, bevor wir ins Studio gehen, proben wir alles und fügen die Songs hinzu für die ich ein volleres Arrangement brauche und nicht bloß ein akustisches. Wir setzen uns hin und spielen und dehnen einige Parts aus, kürzen andere, finden heraus wo wir lauter oder leiser werden, planen, wann welches Instument einsetzen soll. Dann haben die anderen die Zeit ihre Teile zu schreiben. Dann gehen wir ins Studio, nehmen die Demos auf, dann hören wir uns diese nochmal an und überlegen ob wir noch etwas ändern wollen und gehen dann ins Studio für die „richtigen“ Aufnahmen.

Für mich klingt das Album sehr abwechslungsreich und heterogen, wenn ich es mit deinen anderen vergleiche. Kannst du einen Grund sehen, warum das so ist?
Ich kann mich nicht hinsetzen und nach dem Motto schreiben: „Hier sind 12 Punk Songs. Hier sind 12 Pop Songs. Hier sind 12 Country Songs“ oder Indie Rock Songs oder was auch immer. Ich schreibe einfach. Das nächste Album könnte komplett aus Folksongs bestehen. Ich habe keine Ahnung. Und bei diesem Album wurde einfach irgendwann klar, dass die Lieder alle sehr unterschiedlich sind. Ich hatte keinen Plan, nicht so etwas wie „Ich schreibe einen etwas abwechslungsreicheren Sound“, die Songs kamen einfach so heraus. Ich denke dass „Split the country, Split the Streets“ ein wenig so ähnlich ist, dass es lautere Lieder gibt, punkigere Lieder, sehr schöne Lieder, da sind Geigen, Klavier, da sind Folk Songs, da ist Geschrei.  Ich finde, das neue Album ist eine etwas verfeinerte, bessere Version von jenem, wo viele verschiedene Stile zusammenkommen. Ich glaube „Split the country“ was das erste Mal, dass ich versucht habe, die ganzen verschiedenen Aspekte meiner musikalischen Persönlichkeit zusammenzubringen. „Put Your Ghost to Rest“ ist wohl etwas mehr Folk Rock, „Make The Clocks Move“ ebenso. Die zwei Alben von vorhin sind etwas  mehr querbeet, aber es sind einfach die Songs die ich geschrieben habe.

Wenn ich mir die Texte auf deinem aktuellen Album so ansehe, habe ich das Gefühl, dass sie alle das Verlangen vermitteln, vor irgendetwas zu fliehen. Gibt es denn überhaupt so ein grundlegendes Gefühl, dass du mit deinen Texten in diesem Album ausdrücken möchtest?
Ich glaube in der Mehrheit all meiner Songs geht es wahrscheinlich darum mitteilen zu wollen wie es ist, ein Mensch zu sein. In diesem Fall vor allem, DIESE Person zu sein. Oftmals versuche ich einfach eine Momentaufnahme davon zu machen wie es ist, HEUTZUTAGE ein Mensch zu sein. Sozial, politisch, persönlich, was Beziehungen angeht, Sex, Liebe, Drogen, Familie, Krieg, Schönheit, Wahrheit, Lügen, einfach alles. Ich versuche einfach, diese großen Gefühle zu nehmen und kleine Geschichten zu erzählen und manchmal handeln sie davon dass man weg will, manchmal über den Versuch etwas zu verstehen, davon, Angst vor sich selbst und vor den Leuten um einen herum zu haben und manchmal sind handeln sie davon erstaunt darüber zu sein, wie wundervoll Dinge sein können. In diesem Album geht es sehr viel um Verwirrung und Dunkelheit, aber auch den Kampf, Sinn in all dem zu finden. Es handelt von Gewissen und davon, Dinge nicht einfach als selbstverständlich hinzunehmen. Yeah.

Und zum Schluss: ein paar alberne Fragen an Kevin!

Der beste Alkohol, um sich zu betrinken?
Whiskey. Jameson’s Irish Whiskey.

Der beste Song um Liebe zu machen?
Etwas von Sam Cooke oder Otis Redding

Der beste Song zum Tanzen?
James Brown… Sex Machine!

Die erste Platte die du je gekauft hast?
Ich glaube, das war Appetite for Destruction von Guns’N’Roses.

Das letzte Buch das du gelesen hast?
Ich bin gerade dabei, die gesammelten Werke von Eugene O’Neill zu lesen, einem amerikanischen Dramatiker. Stücke von 1933 bis 1945. Gerade jetzt lese ich „More Stately Mansions“.

Den letzten Film den du gesehen hast, den du wirklich gehasst hast?
Ich habe schon länger keinen Film mehr gesehen, den ich schlecht fand… aber dieser Film namens „Igby goes down“ hat mich aufgeregt. „Reicher Leute Bullshit“, das habe ich dabei gedacht.

Spielst du oft Luftgitarre?
Nein. Niemals. (Lacht)

Wann hast du dich das letzte Mal schlimm verletzt?
Das ist schon eine Weile her. Das letzte Mal habe ich mich etwa vor zweieinhalb Jahren bei einer Show in Austin verletzt. Ich bin gelaufen und habe eine Stufe übersehen und bin auf irgendwas betoniertes gefallen und habe mir die Schienbeine angeschlagen und mir die Handflächen aufgeschnitten und bin auf dem Boden entlanggeschrammt. Nicht so schön.

Bart oder kein Bart?
Meistens-Bart. Ab und zu habe ich ihn satt und rasiere ihn ab und dann sehe ich aus wie Stan Laurel von Laurel&Hardy. Wenn ich lächle, sehe ich aus wie er und ich verberge das gerne.

Dein Berufswunsch als  Kind?
Second Base Spieler für die New York Mets.

Ein Song den du sehr magst, wofür du dich aber schämst?
Ich mag wirklich dieses Lied das so geht: „…and I said, what about a Breakfast at Tiffany’s…“ Und ich weiß, dass das ein furchtbares Lied ist, aber wenn es im Radio kommt höre ich ihn mir immer an.

Hast du ein All Time-Lieblingsalbum?
Das wechselt ständig. Heute ist es wohl „In An Aeroplane Over The Sea“ von Neutral Milk Hotel.

Gibt es etwas absurdes, vor dem du Angst hast?
Kleine Mäuse!!

Dein liebstes Kostüm das du mal getragen hast?
Ich habe dieses Pocahontas-Kostüm, das ich vor 4 Jahren mal anhatte, das war ziemlich gut.

Dein liebster Ort in New York?
Ich liebe… (lange Pause)… meine Wohnung. Es ist wie Urlaub wenn ich nach Hause komme weil ich nie dort bin. Also ist mein Lieblingsplatz in New York wohl da, wo ich wohne.

Etwas, das du wirklich an Deutschland magst?
Ich finde die Leute sind im Allgemeinen ziemlich cool… sehr nett…  entgegenkommend, hilfsbereit, klug, hip. Ich habe immer gute Erlebnisse mit Leuten-und ich mag eure Züge. Sie sind sehr effizient. Und diese Felder voll gelber Blumen neben der Autobahn im Sommer, die liebe ich auch. Die sind schön.

Gibt es hier etwas dass du nicht magst?
Ich stehe wirklich nicht so darauf dass in den Clubs geraucht wird. Aber ich glaube, das ändert sich sowieso gerade.

Gibt es etwas, wofür du eine lächerlich große Menge an Geld ausgibst?
Pizza. Ich esse wahnsinnig viel Pizza, wenn ich in New York bin. Und Kaffee. Und Reisen. Das ist ja offensichtlich, ich verbringe 7 Monate im Jahr auf Tour, also gebe ich dafür viel Geld aus.

Meer oder Berge?
Meer.

Katzen oder Hunde?
Hunde. Nein, Katzen! Mein Kopf sagte Katzen und ich habe Hunde gesagt. Katzen!

Star Wars oder Star Trek?
Star Wars! Aber nicht die neueren drei. Das hätte niemals passieren dürfen.

Neil Young oder Bob Dylan?
Bob Dylan. Allerdings sehr knapp..

Sonny or Cher?
Cher? Wann, als sie jung war? Wenn ja, dann Cher!

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